Aufruf

Wien nimmt Platz! Sich dem Aufmarsch der neofaschistischen Identitären entgegensetzen!

In Zeiten in denen rechtsextreme Parteien immer mehr Wähler:innenstimmen für sich gewinnen können und eine massive gesellschaftliche Normalisierung rechtsextremer Einstellungen zu verzeichnen ist, mobilisieren die neofaschistischen „Identitären“ am 26.Juli zu einer Demonstration in Wien. Spätestens seit den Enthüllungen des Recherchekollektivs Correctiv über ein Geheimtreffen der extremen Rechten nahe Potsdam ist Sellner und seine menschenverachtende Vorstellung von „Remigration“, also der gewaltsamen Massendeportation von Menschen mit Migrationsgeschichte, in aller Munde – und er weiß diese Aufmerksamkeit für sich zu nutzen. Kein Wunder also, dass die neofaschistischen „Identitären“ für den 26.Juli erneut eine „Remigrations“-Demo in Wien ankündigen. Den Neofaschist:innen geht es weiterhin darum, Propaganda für ihre menschenverachtenden Ideen zu betreiben und die Straße für sich in Anspruch zu nehmen. Tatkräftig unterstützt werden sie dabei von rechtsextremen bis neonazistischen Gruppen aus dem benachbarten Deutschland, Italien, der Schweiz und anderen Ländern. Denn im Windschatten des Aufstiegs von Rechtsparteien in ganz Europa sehen die „identitären“ Aktivist:innen die Gunst der Stunde gekommen, eine „patriotische Wende“ einzuleiten. Dabei geht es ihnen nicht nur um parlamentarische Erfolge, sondern um eine langanhaltende Verschiebung nach rechts in allen gesellschaftlichen Bereichen. Es sei die letzte Möglichkeit, um den „Bevölkerungsaustausch“ aufzuhalten und eine Kehrtwende umzusetzen. Dieser völkisch-rassistischen Untergangsfantasie stellen sie die „Reconquista“ entgegen, die „Rückeroberung Europas“. Was genau darunter zu verstehen ist, wurde nicht erst seit einem Geheimtreffen nahe Potsdam bekannt: die Abschiebung, Vertreibung und Diskriminierung von allen Menschen, die nicht in die Zigarrenschachtelwelt der Rechtsextremen passen.  

Gegen die autoritäre Formierung! 

Wie weit die Normalisierung von Rechtsextremismus derzeit schon vorangeschritten ist, zeigt nicht nur die Übernahme der Rhetorik der extremen Rechten bis hinein ins Parlament und durch vermeintlich demokratische oder zentristische Kräfte. Die FPÖ, die bei den letzten Nationalratswahlen als stimmenstärkste Partei hervorging und deren Regierungsbeteiligung nur knapp scheiterte, hat keine Abgrenzungsbedürfnisse zu den Neofaschist:innen; historisch ging sie schließlich selbst aus dem Verband der Unabhängigen (VdU) hervor, der nach 1945 als Auffangbecken des sogenannten Dritten Lagers, also ehemaliger Nazis, entstand. Vielmehr können die „Identitären“ mittlerweile als deren aktivistische Jugendorganisation bezeichnet werden, personell wie ideologisch sind diese Gruppen beinahe deckungsgleich. Die Zusammenarbeiten sind Ausdruck der voranschreitenden autoritären Formierung der Gesellschaft. Dabei hat die extreme Rechte auf institutioneller Ebene ein Heimspiel: Aufgrund der gegenwärtigen multiplen Krisen des Kapitalismus haben autoritäre Antworten Hochkonjunktur. Wir sehen es in den Verschärfungen der Asylgesetzgebungen und dem Ausbau der tödlichen Grenzen der Festung Europa. Wir sehen es in einem rassistischen Sicherheitsdiskurs, der soziale Probleme bestimmten Kulturen zuschreibt, vermeintliche kulturelle Unterschiede als naturgegeben und unveränderbar darstellt, und als einzige Lösung mehr Polizei fordert. Wir sehen es in einem enormen Anstieg des Antisemitismus, dem „Gerücht über die Juden“ (Adorno), der sich quer durch alle politischen Lager vollzieht und als wahnhafte Welterklärung herhält. Wir sehen es in einer Zunahme antifeministischer und rassistischer Ideologien, die gesellschaftliche Teilhabe und Ansprüche inmitten einer verschärften Konkurrenz über erfundene, aber vermeintlich natürliche „Identitäten“ zu rechtfertigen versucht. Wir sehen es im systematischen Ausschluss und Gewalt gegen die „Anderen“. Wir sehen es auch in einer autoritären Befriedung gesellschaftlicher Widersprüche, die sozialstaatliche Leistungen mit immer repressiveren Elementen kombiniert. 

Das sind für eine emanzipatorischen Linke keine rosigen Aussichten. Umso wichtiger ist es, trotz der zunehmenden Macht der rechtsextremen Kräfte und der häufig gefühlten Ohmacht, weder die eigenen Ideen einer herrschaftsfreien Gesellschaft über Bord zu werfen, noch auf falsche, vereinfachte Weltbilder zu setzen. Vielmehr braucht es eine gesellschaftliche Linke, die sich gegen jede Form reaktionärer Ideologien stellt und gleichzeitig eine Perspektive jenseits der organisierten Traurigkeit des Kapitalismus entwickelt, die den meisten Menschen das Leben zur Hölle macht. Denn die herrschenden Verhältnisse sind auch ohne Nazis schon unerträglich genug und ein guter Grund, um in organisierte Rebellion überzugehen.  

Antifaschismus bleibt notwendig!

Antifaschismus bleibt notwendig, weil die Verlierer:innen des Kapitalismus nicht zwingend ein Interesse an dessen Überwindung haben. Das zeigt sich gerade aktuell am erneuten Erstarken rechtsextremer Denkmuster. Denn die organisierte extreme Rechte dient als Lautsprecher reaktionärer Ideologien, die ohnehin schon in der Gesellschaft verbreitet sind. Darüber hinaus braucht es aber auch eine praktische Kritik an Staat, Patriarchat und Kapital, um das frustrierende Hamsterrad des Antifaschismus verlassen zu können und der Rechten den Boden unter den Füßen zu entziehen. Denn reaktionäre Ideologien fallen nicht einfach vom Himmel sondern sind Produkte dieser menschenfeindlichen Gesellschaftsordnung des Kapitalismus, in der wir unsere Wünsche, Hoffnungen, Bedürfnisse und Begehren dem stummen Zwang der Profitmaximierung und der Lohnarbeit ständig unterordnen müssen. Doch die gute Nachricht ist: Es muss nicht so sein. Diese Gesellschaft ist von Menschen gemacht und durch sie auch veränderbar. Und ein gutes Leben für alle ist schon längst möglich, denn es ist genug für alle da. Während es der extremen Rechten darum geht, den Zustand von Herrschaft und Ausbeutung zu verewigen, geht es uns um nichts weniger als die „freie Assoziation freier Individuen“ (Marx), in der das Glück der Einzelnen die Voraussetzung für das Glück aller ist.

Aus allen diesen Gründen wollen wir uns gemeinsam dem Aufmarsch der „Identitären“ am 26.Juli entgegensetzen.